Himmlische Nothilfe

                                                              von Kurt Tucholsky

 

"Wat denn? Wat denn? Zwee Weihnachtsmenners?"

 

"Machen Sie hier nicht so einen Krach, Siiie !

Ist hier vier Tage im Himmel, als Hilfsengel - und riskiert hier schon ne Lippe!"

 

"Verzeihen Sie, Herr Oberengel, aber man wird doch noch fragen dürfen...?"

 

"Dann fragen Sie leise...! Sie sehen doch, dass die beiden Herren zu tun haben..., sie packen!"

 

"Ja dit sehe ick, aber wenn Herr Oberengel gütigst verzeihen wollen: wieso zwee? Wir hatten uffe Schule jelärnt: et jibt nur eenen Weihnachtsmann und fertig...!

Einen Weihnachtsmann und fertig...! Diese Berliner ! So ist das hier nicht ! Das sind ambivalente Weihnachtsmänner !!!"

 

"Häh...? Wat sind dit...?"

 

"Ambi ... ach so, Fremdwörter verstehen Sie nicht. Ich werde Sie mal für 14 Tage rüber in den Soziologenhimmel versetzen... - halt, oder besser..., zu den Kunsthistorikern ...

... da sind Sie schon ...

Ja dies sind also die Weihnachtsmänner - das hat der liebe Gott in diesem Jahr frisch eingerichtet. Sie ergänzen sich, sie heben sich gegenseitig auf...!"

 

"Wat hebn die sich jegenseitich uff, die Pakete...?"

 

"Wissen Sie..., da sagen die Leute immer, ihr Berliner wärt so so furchtbar schlau – aber Ihre Frau Mama ist zwecks Ihrer Geburt mit Ihnen wohl in die Vororte gefahren ... ! Die Weihnachtsmänner sind doppelseitig – das wird er wieder nicht richtig verstehen – die Weihnachtsmänner sind polare Gegensätze."

 

 

"Aha. Wejen de Kälte."

 

"Himmel ... wo ist denn der Fluch-Napf ... ! Also ich werde Ihnen das erklären! Jetzt passen Sie gut auf: Die Leute beten doch allerhand und wünschen sich zu Weihnachten so allerhand. Daraufhin hat der liebe Gott mit uns Engeln, sowie auch mit den zuständigen Heiligen beraten: Wenn man das den Leuten alles erfüllt, dann gibt es ein Malheur. Immer. Denn was wünschen sie sich? Sie wünschen sich gerade in der letzten Zeit so verd ... so vorwiegend radikale Sachen. Einer will das Hakenkreuz. Einer will Diktatur. Einer will Diktatur mit nem kleinen Schuß; einer will Demokratie mit Schlafsofa; eine will einen Hausfreund; eine will eine häusliche Freundin ... ein Reich will noch mehr Grenzen; ein Land will überhaupt keine Grenzen mehr; ein Kontinent will alle Kriegsschulden bezahlen, einer will ... "

 

"Ick wees schon. Ick jehöre zu den andern."

 

"Unterbrechen Sie nicht. Kurz und gut: das kann man so nicht erfüllen. Erfüllt man aber nicht ... "

 

"Ick wees schon. Dann besetzen se die Ruhr."

 

"Sie sollen mich nicht immer unterbrechen! Erfüllen wir nicht – also: erfüllt der liebe Gott nicht, dann sind die Leute auch nicht zufrieden und kündigen das Abonnement. Was tun?"

 

"Eene Konferenz einberufen. Een Exposé schreiben. Mal telefonieren. Dit Sozius ... "

 

"Wir sind hier nicht in Berlin, Herr! Wir sind im Himmel. Und eben wegen dieser dargestellten Umstände haben wir jetzt zwei Weihnachtsmänner!"

 

"Und ... wat machen die?"

 

"Weihnachtsmann A erfüllt den Wunsch. Weihnachtsmann B bringt das Gegenteil. Zum Exempel:

Onkel Baldrian wünscht sich zu Weihnachten gute Gesundheit. Wird geliefert. Damit die Ärzte aber nicht verhungern, passen wir gut auf; Professor Dr. Speculus will auch leben. Also kriegt er seinen Wunsch erfüllt, und der reiche Onkel Baldrian ist jetzt mächtig gesund, hat eine eingebildete Krankheit und zahlt den Professor.

Oder:

Die Nazis wünschen sich einen großen Führer. Bekommen sie: ein Hitlerbild. Der Gegenteil-Weihnachtsmann bringt dann das Gegenteil: Hitler selber.

 

Herr Merkantini möchte sich reich verheiraten. Bewilligt. Damit aber die Gefühle nicht rosten, bringt ihm der andere Weihnachtsmann eine prima Freundin.

Oder:

Weihnachtsmann A bringt dem deutschen Volke den gesunden Menschenverstand – Weihnachtsmann B die Presse. Weihnachtsmann A gab Italien die schöne Natur – Weihnachtsmann B: Mussolini. Ein Dichter wünscht sich gute Kritiken: kriegt er. Dafür kauft kein Aas sein Buch mehr. Die deutsche Regierung wünscht Sparmaßnahmen – schicken wir. Der andere Weihnachtsmann bringt dann einen kleinen Panzerkreuzer mit.

 

Sehen Sie – auf diese Weise kriegt jeder sein Teil. Haben Sie das nun verstanden?"

 

"Allemal. Da möcht ick denn ooch nen kleenen Wunsch äußern. Ick möchte jerne im Himmel bleiben und alle Nachmittage von 4 bis 6 in der Hölle Bridge spielen."

 

"Tragen Sie sich in das Wunschbuch der Herren ein. Aber stören Sie sie nicht beim Packen – die Sache eilt."

 

"Und ... verzeihn Se ... wie machen Se dit mit de Börse –?"

 

"So viel Weihnachtsmänner gibt es nicht. Herr – so viel Weihnachtsmänner gibt's gar nicht!"